Die fortschreitende Digitalisierung hat einen tiefgreifenden Wandel in der Fertigungsindustrie eingeleitet. Eine der entscheidenden Technologien, die diesen Wandel beschleunigt, ist die Künstliche Intelligenz (KI). In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie KI in die computergestützte Fertigung integriert wird und welche Möglichkeiten sich dadurch eröffnen.
Dieser Beitrag gibt zunächst eine kleine Übersicht zu modernen CAx-Werkzeugen und den vielfältigen Anwendungsfeldern für KI in diesem Bereich. Den Abschluss bildet eine Aussicht für die Implementierung von KI in die computergestützten Fertigungsprozesse mit den dazugehörigen Voraussetzungen, einer möglichen Vorgehensweise und Beispielen.
CAx (Computer-Aided Technologies) ist ein Oberbegriff, der verschiedene computergestützte Werkzeuge umfasst, die in der Konstruktion, Fertigung und Analyse eingesetzt werden. Das x in CAx dient als Platzhalter für die jeweilige Disziplin. Dazu gehören CAD (Computer-Aided Design), CAM (Computer-Aided Manufacturing), CAE (Computer-Aided Engineering) und weitere.
Heutige CAx-Systeme sind in der Regel äußerst leistungsfähig und bieten eine breite Palette von Funktionen, um den gesamten Produktentwicklungsprozess zu unterstützen. Moderne CAx-Systeme bieten unter anderem folgende Möglichkeiten:
1. CAD (Computer-Aided Design):
- Erstellung detaillierter 2D- und 3D-Modelle von Produkten und Bauteilen.
- Unterstützung für parametrisches Design, bei dem sich Änderungen automatisch auf andere Teile des Modells auswirken.
- Einsatz von generativem Design zur automatischen Erstellung von Designs unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien.
- Integration von virtuellen Prototyping-Tools zur Überprüfung von Designfunktionalität und -leistung.
2. CAM (Computer-Aided Manufacturing):
- Generierung von CNC-Programmen für die maschinelle Bearbeitung von Bauteilen.
- Optimierung von Fertigungsprozessen zur Minimierung von Materialverschwendung und Maximierung der Effizienz.
- Unterstützung für additive Fertigungstechniken wie 3D-Druck, einschließlich der Erstellung von Stützstrukturen und Slicing-Algorithmen.
- Simulation von Fertigungsprozessen, um potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
3. CAE (Computer-Aided Engineering):
- Durchführung von Finite-Elemente-Analysen (FEA) zur Bewertung der Strukturmechanik von Bauteilen und Baugruppen.
- Strömungsanalyse zur Bewertung von Fluidströmungen und Wärmeübertragung.
- Mechanische und thermische Belastungsanalysen zur Bewertung der Leistungsfähigkeit von Bauteilen unter verschiedenen Betriebsbedingungen.
- Optimierung von Konstruktionen und Materialien zur Verbesserung von Leistung, Festigkeit und Gewicht.
4. Datenverwaltung und -austausch:
- Integration von Produktlebenszyklus-Management (PLM)-Systemen zur Verwaltung von Konstruktionsdaten und -revisionen.
- Unterstützung für den Austausch von Daten in verschiedenen Formaten, einschließlich Standardformaten wie STEP, IGES und STL.
- Kollaborationswerkzeuge zur Zusammenarbeit in verteilten Teams über verschiedene Standorte hinweg.
KI-Anwendungsfelder
In diesem Bereich ergibt sich eine Vielzahl von Anwendungsfeldern, an welche die Methoden der Künstlichen Intelligenz anknüpfen können:
1. Generatives Design: KI kann in CAD-Software integriert werden, um generative Designalgorithmen zu entwickeln. Diese Algorithmen können automatisch Designoptionen generieren, die bestimmte Kriterien wie Festigkeit, Gewicht und Herstellbarkeit erfüllen.
2. Automatisierte Modellierung und Optimierung: KI kann dabei helfen, den Modellierungsprozess zu automatisieren, indem sie Designentscheidungen trifft und Modelle optimiert, um bestimmte Ziele zu erreichen, wie z. B. Materialverbrauch zu minimieren oder die Strukturfestigkeit zu maximieren.
3. Erweiterte Simulation: Durch Integration von KI in CAD-Software können realistischere Simulationen durchgeführt werden, die verschiedene physikalische Phänomene berücksichtigen. Dies ermöglicht eine bessere Vorhersage des Verhaltens von Produkten unter verschiedenen Bedingungen.
4. Fehlererkennung und Qualitätssicherung: KI kann dazu verwendet werden, CAD-Modelle oder CAM-Programme zu analysieren, um Fehler oder potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Dies kann dazu beitragen, die Qualität von Designs und Fertigungsprozessen zu verbessern.
5. Adaptive Fertigung: Durch den Einsatz von KI in CAM-Systemen können Fertigungsprozesse optimiert und an veränderliche Bedingungen angepasst werden. Dies umfasst beispielsweise die Anpassung von Schnittgeschwindigkeiten und -pfaden basierend auf Echtzeitdaten.
6. Prozessoptimierung: KI kann verwendet werden, um Fertigungsprozesse zu analysieren und zu optimieren, indem sie Muster und Trends in den Produktionsdaten identifiziert. Dies kann dazu beitragen, die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken.
7. Personalisierung und Mass Customization: Durch den Einsatz von KI können CAD- und CAM-Systeme personalisierte Produkte entwerfen und herstellen, die den individuellen Anforderungen und Vorlieben der Kunden entsprechen.
Voraussetzungen und Vorgehensweise
Die Vielfältigkeit der Anwendungsmöglichkeiten macht es unmöglich einen universellen Fahrplan zu empfehlen. Dennoch gibt es Voraussetzungen, die als allgemein gültig angenommen werden können. Egal ob ein KI-Werkzeug zur Unterstützung einer einzigen anwendungsspezifischen Aufgabe genutzt wird oder als integratives Tool in der gesamten Prozesskette angewendet wird, ist die erste Hürde mit der Verwendung von modernen CAx-Systemen bereits genommen, welche die Grundlage für eine digitale Arbeitsweise bilden. Zu weiteren Voraussetzungen zählen:
1. Datenverfügbarkeit und -qualität: Um KI-Algorithmen zu trainieren und zu validieren, sind große Mengen an qualitativ hochwertigen Daten erforderlich. Dies umfasst CAD-Modelle, Fertigungsdaten, Sensordaten und weitere relevante Informationen. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Daten sauber, vollständig und repräsentativ für die Anwendung sind.
2. Infrastruktur und Ressourcen: Die Implementierung von KI erfordert eine leistungsfähige Infrastruktur, die ausreichend Rechenleistung und Speicherplatz bietet, um komplexe Modelle zu trainieren und auszuführen. Dies kann den Einsatz von Hochleistungsrechnern, Grafikprozessoren (GPUs) und Cloud-Computing-Ressourcen umfassen.
3. Expertise im Bereich KI und CAx: Unternehmen müssen über Fachkenntnisse im Bereich KI und CAx verfügen, um die richtigen Algorithmen auszuwählen, Modelle zu entwickeln und zu trainieren sowie die Ergebnisse zu interpretieren. Dies kann die Einstellung von Experten, Schulungen für bestehende Mitarbeiter oder die Zusammenarbeit mit externen Beratern umfassen.
4. Integration in bestehende Systeme: KI muss nahtlos in bestehende CAx-Systeme integriert werden, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teams und Stakeholdern sowie die Entwicklung geeigneter Schnittstellen und Datenformate.
5. Datenschutz und Sicherheit: Da KI-Systeme auf sensiblen Daten basieren können, ist es wichtig sicherzustellen, dass Datenschutz- und Sicherheitsrichtlinien eingehalten werden. Dies umfasst den Schutz personenbezogener Daten, die Absicherung von Systemen gegen Cyberbedrohungen und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften wie der DSGVO.
6. Management-Unterstützung und strategische Ausrichtung: Die erfolgreiche Implementierung von KI erfordert die Unterstützung des Managements und eine klare strategische Ausrichtung. Unternehmen müssen bereit sein, in die Entwicklung und Implementierung von KI zu investieren und die langfristigen Vorteile zu erkennen.
Beispiele
Mittlerweile hat sich ein beträchtliches Ökosystem an KI-Werkzeugen und Frameworks gebildet, die es erübrigen, das Rad neu zu erfinden und eine gute Basis für die Konzipierung eigener KI-Lösungen bilden. Viele CAx-Anwendungen haben bereits von Haus aus Werkzeuge, die KI nutzen und ohne großen Implementierungsaufwand genutzt werden können. Auf renommierte KI-Frameworks wie Keras Accord.Net kann teilweise bereits über PlugIns zugegriffen werden. Ebenso ist es möglich auf KI-Dienstleistungen, wie z.B. ChatGPT von openAI über entsprechende Schnittstellen direkt aus dem CAx-System zuzugreifen. Anbei sind drei ausgewählte Beispiele aus dem Bereich CAx.
1. CAx-Tools
Fusion 360® von Autodesk bietet mit seiner generativen Design-KI ein fertiges und bequem zu bedienendes Tool, das die Möglichkeit bietet Bauteile zu optimieren.
Eine Alcoa-Halterung, die mit dem generativem KI-Werkzeug von Fusion 360® erzeugt wurde.
Für die Verwendung des Tools müssen die auf das Bauteil wirkenden Kräfte, eine grobe Form und Stützpunkte/-flächen definiert werden. Die resultierenden Formen weisen eine organisch anmutende Form auf und haben dadurch ein optimales Verhältnis von Gewicht zu Stabilität, wie auch bei dem oben stehenden Beispiel, welches ein KI-optimiertes Bauteil darstellt.
2. Frameworks
Für das CAD-Programm Rhinoceros3D® und Grashopper® von McNeel gibt es ein umfangreiches Angebot an PlugIns, die auf food4rhino runtergeladen werden können. Dabei sind neben vielen anderen auch zwei PlugIns, die eine direkte Schnittstelle zu bekannten KI-Frameworks bilden. Das PlugIn Pug ermöglicht den Zugriff auf die KI-Funktionen von Tensorflow/Keras und das PlugIn Owl implementiert die Accord.NET Programmbibliothek für maschinelles Lernen und neuronale Netze.
Intelligente Pfadplanung für Industriroboter mittels Q-Learning.
Für die Verwendung der PlugIns muss ein passender Algorithmus und die entsprechende Datengrundlage in Grasshopper modelliert werden. Das Beispiel zeigt einen auf Q-Learning basierenden Algorithmus für die Pfadsteuerung eines Industrieroboters, der sich durch Simulation selbst beibringt, kollisionsfrei in der Roboterzelle zu navigieren.
3. Programmierschnittstellen (APIs)
Das bekannteste KI-Unternehmen schlechthin, openAI, setzt mit ChatGPT Maßstäbe in der Entwicklung von Large Language Models. Die Schnittstelle (API) von openAI erlaubt die direkte Integration von ChatGPT in der eigenen CAx-Umgebung. So lassen sich zum Beispiel Chatbots erstellen, die zielgerichtete Hilfestellungen bei der Bedienung der CAx-Software oder bei der Konstruktion geben.
Werkzeugtipps durch Chatbot (openAI API) integriert in das CAx-Umfeld.
Das Beispiel zeigt, wie ChatGPT beim Designprozess eingebunden werden könnte, um Vorschläge für die richtige Werkzeugauswahl bei der Erstellung von 3D-Modellen zu geben.
Fazit
Die Integration von KI in die computergestützte Fertigung bietet immense Chancen für Unternehmen, ihre Effizienz zu steigern, die Produktqualität zu verbessern und innovative Lösungen zu entwickeln. Durch eine systematische Herangehensweise bei der Implementierung von KI können Unternehmen diese Chancen optimal nutzen und sich einen Wettbewerbsvorteil in der sich wandelnden Fertigungslandschaft sichern. In den kommenden Jahren wird KI weiterhin eine Schlüsselrolle in der Zukunft der Fertigung spielen.
Falls die Beispiele Ihr Interesse geweckt haben oder Sie selbst eine herausfordernde CAx-Anwendung ins Auge fassen, bei der KI eingesetzt werden soll, freuen wir uns von Ihnen zu hören und unterstützen gerne!